Regina Thulesius liest aus „Immer auf der Hut“ Zurück zur Übersicht

Regina Thulesius ist eine der Autorinnen des Buches "Immer auf der Hut". In diesem Buch teilt sie ihre Erfahrungen aus der Zeit des Mauerbaus 1961 mit. Am Freitag, den 16. November 2018 hielt sie am Fichte-Gymnasium eine Lesung vor Schülern der Jahrgangstufe 9 und der Geschichtsleistungskurse der Q1, in der sie Auszüge aus dem Buch vorlas und im Anschluss unsere Fragen beantwortete.

Die Lesung war sehr interessant: Zunächst berichtete Frau Thulesius über ihre Flucht aus dem heutigen Polen, die sie im Alter von drei Jahren antrat. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges musste sie mit ihrer Familie erneut fliehen. Dies geschah, während ihr Vater in russischer Gefangenschaft war; ihre Mutter musste also allein mit den vier Kindern fliehen.

1947 war die Familie wieder vereint und ihr Vater, ein evangelischer Pfarrer, bekam ein Stellenangebot in Ost-Berlin, wohin die Familie dann ansässig wurde. Dort hatten die Kinder Schwierigkeiten die Schule ihrer Wahl zu besuchen oder sich beruflich zu entfalten, weil sie als Pfarrersfamilie als ''Klassenfeinde'' bezeichnet wurden und sie daher als ''politisch unzuverlässig'' galten.

Trotz allem war es den Geschwistern möglich, die Bertha-von-Suttner-Schule zu besuchen, welche eine Schule in Westberlin war. Durch die einsetzende Spaltung im Kalten Krieg ergab sich die Situation, dass ganze Klassen mit Schülerinnen aus Ost-Berlin und der sowjetisch besetzten Zone dieser Schule zugewiesen wurden, denen von der örtlichen Schulaufsicht ein gymnasialer Schulbesuch vorenthalten wurde oder die ein im Westen anerkanntes Abitur ablegen wollten. Die Lehrer dieser Schule waren auch diejenigen, die ihr dabei halfen ein paar Tage nach dem Bau der Mauer aus Ost-Berlin zu fliehen. Sie durfte dabei nichts mitnehmen, außer einem Maiskorb, den ihr einer ihrer Brüder aus Westberlin mitbrachte und einen Lippenstift. Sie schaffte es zwar nach Westberlin, aber da ihre beiden älteren Brüder schon über Westdeutschland verteilt waren und ihre Eltern mit ihrem jüngeren Bruder noch in Ostberlin waren, kam ihre Familie nie wieder zusammen.

Ihr Vater blieb bis zu seinem Tod in Ostberlin, weil er als Pfarrer aus ethischen Gründen nicht seine Gemeinde verlassen wollte. Ihre Mutter und ihr jüngerer Bruder erlebten den Fall der Mauer leider nicht mehr. Sie erzählte uns, wie ihr jedes Mal, wenn sie ihre Familie in Ostberlin besuchte und wieder zurück durfte, Scham überfiel, weil sie nach Westdeutschland durfte, ihre Eltern und ihr jüngerer Bruder aber nicht. Trotzdem sei aus all dem etwas Gutes hervorgekommen: Auch wenn dies alles nicht positiv war, habe sie dadurch gelernt immer mutig zu sein. Wesentlich hätten ihre Lehrer dazu beitrugen, da sie durch ihren leidenschaftlichen Unterricht und durch ihre selbstlosen Taten den Menschen Hoffnung gaben.

Fatma Gürel, 9c